23.12.05

Im CD-Wechsler (Woche 51 / 2005)

**** – Mike Stinson, «Last Fool At The Bar» (Boronda)
Zwei Jahre nach seinem starken Debüt «Jack Of All Heartache» legt Mike Stinson, «the uncrowned King of the L.A. Neo-Honky Tonkers» («Hollywood Reporter») noch einen Zacken zu. Sein Album «Last Fool At The Bar» rückt den aus Virginia stammenden, jetzt in Los Angeles lebenden Singer/Songwriter (und auch Drummer für Kollegen) noch näher an einen Gram Parsons heran. Erneut mit von der Partie ist Gitarrist Tony Gilkyson (der schon bei der legendären L.A.-Punk-Band X mit Exene Cervenka und John Doe dabei war). Stinsons näselnder Gesang erinnert etwas an Bob Dylan, der ihn aber vor allem als Songschreiber beeinflusst hat. Von Stinsons Songwriting angetan zeigte sich auch Dwight Yoakam, der «The Late Great Golden State» von Stinsons Debütalbum sofort für sein Album «Population Me» (2003) aufnahm.

**** – TJ McFarland, «Rosenbum’s Gin» (Explosive)
In der gleichen Liga wie Mike Stinson spielt auch TJ McFarland, geboren in South Dakota, aufwachsen in Oklahoma und heute, nach einem Zwischenspiel in Texas, in Kalifornien lebend. Als seine wichtigsten Einflüsse nennt er selber Bob Dylan, Gram Parsons, The Doors, Dwight Yoakam und Ryan Adams. Zur Hand gegangen sind McFarland bei seinem zweiten (oder dritten?) Album Musiker aus dem Umfeld von Dwight Yoakam und Lucinda Williams wie die Gitarristen Doug Pettibone und Keith Gattis, Bassist Taras Prodaniuk, Keyboarder Skip Edwards – sowie Gitarrenlegede Waddy Wachtel. Zwischendurch gehts da auch ziemlich rockig zur Sache.

**** – North Mississippi Allstars, «Electric Blue Watermelon» (ATO)
Auf ihrem neuen Album besinnen sich die Brüder Luther (guitar, vocals) und Cody Dickinson (drums) sowie Chris Chew (bass, vocals) auf ihre musikalischen Wurzeln. Diese liegen vor allem im Blues von Figuren R.L. Burnside und Junior Kimbrough. Und im Wirken ihres Vaters Jim Dickinson (aka East Memphis Slim), der bei den frühen Alben von Ry Cooder eben so mitwirkte wie bei der Entwicklung des berühmten Memphis-Sound in den legendären Ardent-Studios. Er produzierte das Album seiner Söhne. Blues und Südstaaten-Rock ’n’ Roll bilden die Basis, auf der dann Ausflüge in alle Richtungen möglich sind, etwa zu Rap oder zum Sound der Dirty Dozen Brass Band, die zu den zahlreichen Gästen auf dem Album zählt. Ein Höhepunkt ist «Hurry Up Sunrise» als Duett von Luther Dickinson mit Lucinda Williams.
Jim Dickinson sagt zum neuen Album der Allstars:
North Mississippi Allstars make no claim to being a blues band. Something happens when white boys play the blues. Rock and Roll. Whether it's Elvis or the Beastie Boys, this music has come to symbolize freedom the world over and to illustrate the inter-racial brotherhood of man.

***1/2 – Bobby Bare, «The Moon Was Blue» (Dualtone)
Bobby Bare gehört zu meinen alten Helden. Nicht für seine frühen Hits wie «500 Miles Away From Home» aus den frühen Sechzigern, sondern wegen seinen Alben aus den 1970er-Jahren, für die ihm vor allem Shel Silverstein so manchen Song auf den Leib schrieb. Und es war vor allem Bobby Bares Interpretation von «Tecumseh Valley» auf «Diamond & Dirt» (1979), die mich erst auf Townes Van Zandt brachte. Ich hatte in den späten 1970er- und frühen 1980er-Jahren auch mehrmals das grosse Vergnügen, Bobby Bare live zu erleben. Nach dem feucht-fröhlichen Album «Drinkin' From The Bottle, Singin' From The Heart» (1983) wurde es jedoch plötzlich still um diesen grossen Sänger und Musiker.
Inzwischen hat sein Sohn, Bobby Bare Jr., am Anfang auch noch mit Unterstützung des dann verstorbenen Shel Silverstein, eine vielversprechende Karriere gestartet. Und er ist es denn auch, der den Vater, inzwischen 70 geworden, wieder ins Studio brachte. Den energetischen Countryrock von damals im Ohr – «Too Rock For Country, Too Country For Rock And Roll», besang er selbstironisch seine damalige Situation zwischen Stuhl und Bank – irritierte das Comeback-Albums vorerst schon ein bisschen: «Are You Sincere» mit gepflegten Streichern und Bobby Bare als Country-Crooner. Ein bisschen Fifties-Easy-listening wie Pat Boones «Love Letters in The Sand» oder «It’s All In The Game» von Tommy Edwards. Der mit Abstand «modernste» Song ist «The Ballad Of Lucy Jordan» (geschrieben übrigens vom late great Shel Silverstein). Es brauchte ein paar Durchgänge, um mich mit dem «neuen» Bobby Bare anzufreunden. Aber je mehr ich das Album hörte, um so mehr wuchs es mir ans Herz. Und ich hoffe, das war nicht das letzte dieses Meisters.

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