16.12.14

Fast forward: 10 neue Alben


Schnelldurchlauf: zehn weitere ausgezeichnete Alben aus dem grossen CD-Stapel mit 2014er Neuerscheinungen.

Alle:  
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Luther Dickinson – Rock ’n Roll Blues

(New West Records)

Letztes Jahr punktete Luther Dickinson mit den North Mississippi Allstars («World Boogie is Coming», Rang 7 auf meiner Jahresbestenliste), dieses Jahr mit zehn eigenen Songs solo, aber dennoch nicht ganz allein: Amy LaVere (upright bass, vocals), Sharde Thomas (drums, fife, vocals) und Lightnin’ Malcolm (drums, vocals) stehen im zur Seite; er selbst singt und er spielt das, was der Albumtitel verspricht, auf der akustischen Gitarre: Rock ’n’ Roll und Blues, das Ganze mit einem leicht folkigen Einschlag. Sehr, sehr schön.



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Angaleena Presley – American Middle Class

(Slate Creek Records)

Miranda Lambert ist schon lange auch solo unterwegs (sechs Alben), Ashley Monroe auch seit 2009 (zwei Alben), und nun hat auch die Dritte der 2011 formierten Pistol Annies, Angaleena Presley aka Holler Annie, ihr erstes Soloalbum. Und was für eines! Obwohl erst Mitte Oktober erschienen, steht «American Middle Class» schon auf allen Country- und Americana-Jahresbestenliste. Und wird es auch auf meine Schaffen.



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Kelly Pardekooper – Milk in Sunshine


Singer/Songwriter Kelly Pardekooper aus Iowa, heute in Indianapolis zu Hause, präsentiert auf seinem neuen Album 24 Songs – 8 neue und 16 Bonus-Tracks! Bei den Bonus-Tracks handelt es sich um Titel, die in TV-Serien wie «True Blood», «Justified», «Sons of Anarchy», «Blue Bloods», «Cold Case» und anderen verwendet wurden. Die Liste der Musiker, die an den verschiedenen Sessions beteiligt waren, liest sich wie ein Who is who der Musikszene von Iowa City: Bo Ramsey (guitars; producer), Teddy Morgan (guitars, organ; producer), Pieta Brown (vocals), David Zollo (piano, organ, Wurlitzer; Producer), Radoslav Lorkovic (hammond organ) und viele andere wirkten mit.


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Pieta Brown – Paradise Outlaw

(Red House Records)

13 neue eigene Songs und «Before Gas and TV» von Mark Knopfler, mit dem sie schon vor Jahren zusammengearbeitet hat, präsentiert Pieta Brown auf ihrem sechsten – oder wenn man die EPs mitzählt neunten – Album. Wie immer wird die inzwischen 41-jährige Singer/Songwriterin und Multiinstrumentalistin (acoustic guitar, banjo, National Estralita Deluxe resonator guitar, Wurlitzer electric piano) von ihrem Ehemann, dem begnadeten Gitarristen Bo Ramsey, tatkräftig unterstützt. Neben Drummer JT Bates und Bassist Jon Penner spielen zudem Michael Rossetto (banjo, electric banjo, electric guitar) und der legendäre David Mansfield (strings, pedal steel, mandolin; er war in den 1970ern bei Bob Dylans Rolling Thunder Revue, bildete mit T-Bone Burnett und Steven Soles The Alpha Band und schrieb die Musik für «Heaven’s Gate» und viele weitere Filme) mit. Bei «Before Gas and TV» spielt zudem Pietas Vater, der grosse Singer/Songwriter Greg Brown, akustische Gitarre. Betörend schön – wie alle ihre Aufnahmen.



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Doug Seegers – Going Down to the River

(Rounder)

Doug Seegers ist gut 60 Jahre alt und war in den letzten Jahren vorwiegend als obdachloser Strassenmusiker in Nashville unterwegs. Als die schwedische Country- und Popsängerin Jill Johnson für eine mehrteilige TV-Dokumentation über die Musikszene in Nashville unterwegs war, wies sie der Verkäufer an einem Essstand auf den Mann an der Strassenecke hin, der eine tolle Stimme habe. Sie nahm ihn auf, und das schwedische Publikum war begeistert. So kam Seegers zu einem Plattenvertrag, und dieses wunderschöne Album entstand.
Doch Seegers war keineswegs ein unbeschriebenes Blatt in der Musikszene. Buddy Miller, der auf dem Album als Gast auftritt, erinnert sich in den Liner Notes daran, wie er Doug Seegers in den frühen 1970ern an einer Hochzeit kennenlernte – beide spielten da mit ihren Bands: «In the early ’70s playing a wedding wasn’t a bad gig for a broke musician. You got paid and there was food. That’s were I met Doug Seegers. Our bands were booked together and he was pouring out his guts in a dark tent full of drunks – part Hank Williams, part Hank Snow, part Gram Parsons.»
Schon damals habe Seegers, dessen Eltern Countrysänger in New York waren, sich als «hobo» gesehen und sich «Duke the Drifter» genannt. Mitte der 1970er hatten Buddy Miller und Doug Seegers in Austin, Texas, zusammen eine Band, die sich aber bald wieder auflöste, da niemand sie gemocht habe.
Will Kimbrough hat Seegers’ Album produziert und spielt auch Gitarre, neben Miller ist als Gastsängerin auch Emmylou Harris dabei, unter den Mitmusikern sind Phil Madeira (lap steel), Al Perkins (pedal steel), Brigitte DeMeyer (backing vocals), Barbara Lamb (fiddle, violin, viola), Chris Donohue (bass) und Bryan Owings (drums). Ausser einem Gram-Parsons- und einem Hank-Williams-Cover hat Seegers alle Songs selbst geschrieben.



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The Rainmakers – Monster Movie

(Bat Records)

The Rainmakers waren eine meiner Lieblings-Neo-Rock-’n’-Roll-Bands in den späten 1980er-Jahren. Die coole Combo um Frontmann und Songwriter Bob Walkenhorst aus Kansas City hatte mit dem kleinen Hit «Let My People Go-Go» vor allem in Europa Erfolg. Anfang der 1990er löste sich die Band auf, Walkenhorst machte als Singer/Songwriter solo weiter. Zwischendurch fand die Band wieder zusammen und nahm 1994 und 1997 wieder gemeinsam Alben auf. 2011 reformierte Walkenhorst die Band und veröffentlichte das Album «25 On» – 25 Jahre nach dem Debüt. Auch auf dem neuen Album «Monster Movie» spielen die Rainmakers knackigen Rock ’n’ Roll mit einem Augenzwinkern.



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Spencer Bohren – Tempered Steel

(Valve)

Zufällig sah ich irgendwo dieses Album – und erinnerte mich, dass ich vor vielen Jahren mal eine LP von Spencer Bohren gekauft hatte, die mir sehr gut gefallen hatte. Ein Griff ins LP-Regal: «Snap Your Fingers» (1989) war eine auf einem französischen Label erschienene Compilation aus zwei früher erschienen Alben von Bohren, unter den Musikern darauf ist auch Dr. John.
Spencer Bohren, 1950 in Wyoming geboren, seit den 1970ern in New Orleans zu Hause, ist nicht nur ein brillanter Gitarrist, sondern auch Musikhistoriker und -lehrer, der sich seit Jahrzehnten intensiv mit Blues, Country, Gospel und Folk beschäftigt.
Auf «Tempered Steel», dem ungefähr zwanzigsten Album von Bohren, wie mehr als ein halbes Dutzend andere auf dem deutschen Label Valve erschienen, spielt er alle Songs auf der Steel-Gitarre. Los gehts mit Dylans «Ring Them Bells» und am Schluss steht Dylans «Just Like Woman», dazwischen Songs wie «Broke Down Engine» von Blind Willie McTell und «Wayfaring Stranger». Virtuose Gitarrenarbeit, warmer Gesang. Sehr, sehr schön.



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WhiskeyDick – From the Devil’s Boots


WhiskeyDick beschreiben sich selbst sehr schön so: «At the lonesome crossroads where country and metal intersect, stand two swaggering badasses holding acoustic guitars.» Tatsächlich singen und spielen Fritz und Reverend Johnson, zwei grosse, bärtige Texaner mit volltätowierten Armen, eine Art von akustischem Country-Hardrock. Interessant, witzig, eindrücklich. Und saugut.



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Billy Vera & Evis Sands (Singing New Songs of Chip Taylor) – Queen of Diamonds / Jack of Hearts

(Train Wreck Records)

Chip Taylor hat schon in den 1960ern mit dem Sänger und Schauspieler Billy Vera, der später die Band Billy & the Beaters hatte, gearbeitet, und ebenso mit der Sängerin Evie Sands – mit beiden sehr erfolgreich. Jetzt hat Taylor für die beiden Stars von damals neue Songs geschrieben und ein Album mit ihnen aufgenommen. Sands und Vera singen zwei Songs gemeinsam, sechs Songs singt Evie Sands, fünf Billy Vera. Und dazu gibt es eine Live-Version von Evie Sands’ Sixties-Hit «Take Me For A Little While», den Sands zusammen mit Belle & Sebastian singt. Ein, wie bei Chip Taylor heute fast schon üblich, sehr ruhiges, stilles Album. Sehr schön.




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Chip Taylor – The Little Prayers Trilogy

(Train Wreck Records)

Der Meister schreibt auch mit 74 noch fleissig Song um Song. Und so ist sein neues Album gleich auf drei CDs angewachsen. Unter den 30 Tracks sind ein paar wenige Songs in zwei Versionen. Zwei Songs singt Taylor gemeinsam mit Lucinda Williams, wobei er inzwischen fast mehr flüsternd spricht als singt. Berührend.




15.12.14

Jim Keaveny – Out of Time

(self-released / CD Baby)

****1/2

«Out of Time» ist bereits das fünfte Album des aus Bismarck, North Dakota stammenden Singer/ Songwriters Jim Keaveny, der seit rund fünf Jahren in Terlingua, tief im Süden von Texas am Rio Grande, lebt; sein erstes Album veröffentlichte er im Jahr 2000. Vor der aktuellen Veröffentlichung hatte ich aber noch nie von ihm gehört, und ich kenne daher die älteren Werke nicht. Aber das neueste hat es in sich. 14 starke Songs, hinreissend gesungen und gespielt. Keaveny hat eine Stimme, die stark an den jungen Bob Dylan erinnert. Stilistisch ist das Album ein schöner Mix aus Country, Honkytonk, Roots-Rock und Blues; unter den ausgezeichneten Begleitmusikern stechen vor allem Lead-Gitarrist Shand Walton und Akkordeonist David Barclay Gomez (Felix y Los Gatos, DB Gomez Trio) besonders heraus, auf drei Tracks auch zwei Bläser. Eine Entdeckung.