26.8.14

Shelley King – Building A Fire

(Lemonade Records)

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Dies ist bereits das siebte Album von Shelley King, einer starken Singer/ Songwriterin aus Austin, Texas. Sie stammt aus Arkansas, wo sie in der Kirche singen lernte. Kein Wunder, klingt ihre kraftvolle Stimme noch heute oft ein bisschen nach Gospel. Ihr Americana-Sound wurzelt tief in Soul und Blues, riecht nach Muscle Shoals, Alabama, und nach New Orleans. Dafür sorgen auch die brillanten Musiker, die sie begleiten: die beiden Subdudes Steve Amedée (vocals, drums, percussion, mandolin) und John Magnie (vocals, accordion, organ, piano), die das Album gemeinsam mit Shelley King auch produziert haben, dazu aus Austin der Saitenvirtuose Marvin Dykhuis (vocals, acoustic and electric guitars, dobro, mandolin) und die versierte Bassistin Sarah Brown. Als Gastmusiker sind zudem auf einzelnen Tracks unter anderen Cindy Cashdollar (lap steel guitar), Warren Hood (violin) und Carolyn Wonderland (electric guitar) dabei. Shelley selbst spielt akustische Gitarre. Und singt zehn starke eigene Songs, ein Cover von Larry Campbell sowie den Traditional «I Know I've Been Changed».



22.8.14

Robyn Ludwick – Little Rain

(Late Show Records)

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Die Texanerin Robyn Ludwick kommt aus einem musikalischem Umfeld: Ihre Brüder Charlie Robison (der mit Dixie Chick Emily verheiratet war) und Bruce Robison (der mit der Sängerin Kelly Willis verheiratet ist) sind seit 20 Jahren als ausgezeichnete Singer/Songwriter bekannt; beide veröffentlichten ihre Debüts 1996 und seither mehrere Alben. Bei Schwester Robyn, verheiratet mit dem Bassisten John «Lunchmeat» Ludwick, dauerte es etwas länger, bis sie erstmals ein Album veröffentlichte. Ihr eindrückliches Debüt «For So Long» erschien 2005, es folgte 2008 «Desire» und 2011 das grossartige Werk «Out of These Blues». Ihr viertes Album schliesst sich nahtlos an die Vorgänger an: starke Songs, Robyns eindringliche, immer etwas brüchig klingende Stimme und sehr gute Begleitmusiker. Neben John Ludwick am Bass und Rick Richards an den Drums spielte Produzent Gurf Morlix alle anderen Instrumente selbst ein: guitars, keyboards, banjo, pedal steel, percussion.
(Bruce Robison und Kelly Willis covern auf ihrem aktuellen Album «Our Year» übrigens den Song «Departing Louisiana» von Robyn Ludwick.)


14.8.14

Puss n Boots – No Fools, No Fun

(Blue Note)

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Das Trio Puss n Boots besteht aus Sasha Dobson (vocals, acoustic guitar, bass, drums), die vor allem als Jazz-Sängerin und
-Songschreiberin bekannt ist, Norah Jones (vocals, electric guitar, fiddle), ja, die Norah Jones, und Catherine Popper (vocals, bass acoustic guitar), die als Bassistin und Background- sängerin für Ryan Adams & the Cardinals, Grace Potter and the Nocturnals, Joseph Arthur, Jack White und andere tätig war bzw. ist. Das Trio entstand 2008 in Brooklyn, wo Sasha Dobson und Norah Jones in kleinen Klubs zusammen auftraten, um in der Praxis besser Gitarre spielen zu lernen. Dann kam Catherine Popper dazu, Puss n Boots war geboren. Kleinere Lokale in und um New York blieben ihr Terrain. Bis jetzt. Mit dem ersten Album «No Fools, No Fun» trat das Trio nun bereits in grösseren Sälen und an Festivals, darunter im Juli am Newport Folk Festival, auf.
Das Originalalbum des Trios, das sich selbst als Country-Band bezeichnet, umfasst zwölf Songs, darunter zwei von Sasha Dobson, zwei von Catherine Popper und einer von Norah Jones. Die übrigen sind Covers von Songs von Tom Paxton («Leaving London»), Rodney Crowell («Bull Rider»), Roger Miller («Tarnished Angel»), Robbie Robertson («Twilight» von The Band), Wilco («Jesus, Etc.»), Neil Young («Down By The River») und Jeb Loy Nichols («GTO»). Drei Songs sind live aufgenommen, die anderen im Studio. Im Lead-Gesang wechseln sich die drei ab, dazu gibt es schöne Harmoniegesänge. Insgesamt klingt alles sehr nett, die Live-Aufnahmen aus dem Bell House in Brooklyn sind dabei reizvoller als die Studioaufnahmen. Aber viel mehr als nett ist das alles nicht.

Ausgerechnet das beste sind die zwei Bonus-Tracks auf der exklusiv bei Amazon (und zwar bei amazon.com in den USA, nicht in Deutschland) erhältlichen Deluxe-CD-Version: der Johnny-Cash-Klassiker «Cry, Cry, Cry» und die wirklich wunderschöne Liveaufnahme des 1930er-Hits «In A Shanty In Old Shanty Town».


11.8.14

Moot Davis – Goin’ In Hot

(Crow Town Records)

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Country-Rock, Honkytonk, Soul, Rock ’n’ Roll und andere Einflüsse von Bakersfield bis New Orleans mischt Moot Davis aus Trenton, New Jersey, zu einem höchst bekömmlichen Sound. «Goin’ In Hot» ist sein viertes Album, sein Songwriting ist im Lauf der Jahre und der Alben persönlicher und engagierter geworden. Dass er immer wieder ein bisschen an Dwight Yoakam, vor allem an dessen Anfangsjahre, erinnert, erstaunt nicht: Die beiden ersten Alben, 2004 und 2007 erschienen, hatte Pete Anderson, der langjährige Produzent und Gitarrist von Yoakam, produziert und massgebend mitgeprägt. Schliesslich trennte Davis sich von Anderson (wie es auch Yoakam tat) und zog für eine Zeitlang nach Neuseeland. Das Comeback-Album «Man About Town» (2012) realisierte er mit dem Produzenten und Gitarristen Kenny Vaughn aus Nashville – wie auch das aktuelle Album. Der vorzügliche Gitarrist Vaughn überlässt zwar die Lead-Gitarre meistens Bill Corvino, greift aber doch dann und wann auch selbst in die Saiten – und einmal gar zum Theremin.



8.8.14

Hollis Brown – Gets Loaded

(Alive Natural Sound Records)

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Warum soll ein Musiker oder eine Band ein altes Album von jemand anderem komplett neu einspielen? Es ist ja durchaus so, dass ich interessante Cover-Versionen von Songs, die ich mag, sehr schätze. Vor allem, wenn Künstler aus dem Americana-Bereich alte Rocknummern neu interpretieren, kommen oft gute Sachen heraus, erwähnt seien etwa Led Zeppelins «Whole Lotta Love» in der starken akustischen Version der Band Reckless Kelly oder die schöne Country-Folk-Version der Okra All Stars des Prince-Hits «Purple Rain». Willy DeVilles betörende Mariachi-Version von Jimi Hendrix’ «Hey Joe» und der Ramones-Titel «I Wanna Be Sedated» von den Texas-Honkytonkern Two Tons of Steel gehören sogar zu meinen Lieblings- aufnahmen. Aber ein ganzes Album? Shannon McNally wollte das mit dem legendären, «selbstbetitelten» Debütalbum von Bobby Charles (1972) machen, aber der Meister himself konnte sie davon überzeugen, dass es besser wäre, auch einige spätere seiner Songs dazuzunehmen (was sie dann auch tat; des Resultat «Small Town Talk» [2013] erlebte Bobby Charles dann leider nicht mehr).
Nun aber zum Album, um das es hier geht: Hollis Brown, eine junge Roots-Rock-Band aus dem New Yorker Stadtteil Queens, hat als zweites Album alle zehn Songs des letzten Velvet-Underground-Albums «Loaded» (1970) aufgenommen. «Loaded» war in den 1970ern mein liebstes VU-Album; das mag einerseits daran gelegen haben, dass ich bei den früheren Alben noch etwas (zu) jung dafür war (ich war 16, als «Loaded» herauskam), anderseits mag ich es auch beim Wiederhören noch am meisten – vielleicht weil da erstmals Andy Warhol nicht mehr daran herum- gefummelt hat und es eigentlich eher das erste Album von Lou Reed war, der alle zehn Songs geschrieben hatte.
Hollis Brown haben diese Songs, die auf ihrem Album exakt in der umgekehrten Reihenfolge angeordnet sind, an zwei Tagen im Dezember 2013 sehr schön und stimmungsvoll mit einem eigenen Ton eingespielt. Aber eben: der eine oder andere Song hätte eigentlich genügt. Das ganze Album muss es wirklich nicht sein.


4.8.14

Amy LaVere – Runaway’s Diary

(Archer Records)

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Was für eine betörnede Stimme: Amy LaVere. Zart und fein klingt sie, gleichzeitig aber auch eindringlich und eingängig. Und dazu spielt sie den grossen Kontrabass. Es war 2007 ihr Song «Killing Him», der mich sofort reinnahm:

He didn’t come home till the light of the day
He wasn’t with her he would say
They fought through the morning an all of the day
She’d have to kill him to get him to stay

Killing him didn’t make the love go away
Killing him didn’t make the love go away

Das Album «Anchors & Anvils» stand dann auf Rang 1 meiner Top 10 des Jahres 2007. Das Album «Stranger Me» (2011) war eher etwas enttäuschend. 2012 tourte sie gemeinsam mit Shannon McNally (deren Bobby-Charles-Hommage «Small Town Talk» 2013 auf Platz 2 meiner Jahresfavoritenliste stand), und das gemeinsame «Rehearsal Sessions»-Album «Chasing the Ghost» war 2012 mein Nummer-1-Album. 
Und mit «Runaway’s Dream» punktet Amy LaVere wieder. Thema des berührenden Albums ist ihre Teenager-Zeit und was sie als jugendliche Ausreisserin erlebte. 

So I’m leavin’
I can raise myself
I can surely scold me
I can school me
I can fuckin’ rule me

Move to my own drum
This is gonna be fun
I won't need a clock
Leavin’s gonna rock

«Snowflake» und fast alle Songs hat sie natürlich selbst geschrieben, dazu kommen ein paar wenige, passende Covers wie Townes Van Zandts «Where I Lead Me» und John Lennons «How?».
Luther Dickinson, auf dessen letztem Soloalbum Amy Bass spielte, hat das Album produziert und wirkt auch als Gitarrist mit. Luthers Vater, der inzwischen verstorbene legendäre Jim Dickinson, hat übrigens «Anchors & Anvils» produziert. 
Amy LaVere (eigentlich Amy Fant) stammt aus Louisiana, wo sie nahe der Grenze zu Texas aufwuchs. Via Detroit, wo sie in einer Punkband spielte, und Nashville kam sie vor 15 Jahren nach Memphis, wo sie während mehreren Jahren als Besucherführerin im berühmten Sun Studio, wo Sam Phillips in den 1950er und 1960er Jahren all die grossen Rock ’n’ Roller, Blueser und Soul-Sänger aufgenommen hatte, tätig war.