25.2.06

Im CD-Wechsler (4/2006)

****1/2 – Rosanne Cash, «Black Cadillac» (Capitol)

Aus einem spannenden Interview, das Peter Hossli mit Rosanne Cash führte (erschienen im Schweizer Nachrichtenmagazin «Facts» am 26.01.2006):

Ms. Cash, welche Automarke fahren Sie?
Rosanne Cash: Ich lebe in Manhattan, da brauch ich kein Auto.

Sie besitzen keines?
Okay, wir besitzen einen alten, klapprigen Van. Ob der noch anspringt, weiss ich nicht.

Haben Sie jemals einen Cadillac besessen?
Ich? Nein.

Ihr neustes Album heisst «Black Cadillac». Ein komischer Titel für einen Automuffel.
Der schwarze Cadillac war die Ikone meiner Kindheit. Mein Vater fuhr jedes Jahr einen zu Schrott, meine Mutter kaufte jeweils den neuen. Zudem ist es eine Metapher.

Für was?
Das ist doch offensichtlich. Für den Tod. Es ist das letzte Auto, in dem man fährt – im Sarg zum Friedhof.

Das ganze Interview ist hier nachzulesen.


In Memory of
June Carter Cash, June 23, 1929 - May 15, 2003
John R. Cash, February 26, 1932 - September 12, 2003
Vivian Liberto Cash Distin, April 23, 1934 - May 24, 2005
steht auf der Booklet-Rückseite, und so wundert es nicht, dass Moll-Töne das Album prägen. Während der Arbeit an dem Album hat Rosanne Cash ihre Stiefmutter June Carter, ihren Vater Johnny Cash (interessant übrigens in Peter Hosslis Interview, wie sie zwischen dem «Vater» und «Johnny Cash» unterscheidet), und dann auch noch ihre Mutter verloren.
Entstanden ist ein Album, dass so gut ist wie ihr grossartiges «10 Songs» vor zehn Jahren.


*** – Original Motion Picture Soundtrack, «Walk The Line» (Sony/BMG)
Joaquin Phoenix spielt nicht nur Johnny Cash, er singt auch Johnny Cash («Get Rhythm», «I Walk The Line», «Ring Of Fire», «Cry Cry Cry», «Folsom Prison Blues» usw.). Und Reese Witherspoon spielt nicht nur June Carter, sie singt auch June Carter («Wildwood Flower» und «Juke Box Blues», und im Duett mit Joaquin Phoenix «It Ain't Me Babe» und «Jackson).
Geht das? Geht das gut?
Es geht. Und es geht ganz gut. Ich habe den Film zwar noch nicht gesehen, der Soundtrack macht aber zum grundsätzlichen hinzu durchaus zusätzlichen Appetit darauf.
Unter anderen ist übrigens auch Shooter Jennings mit «I’m A Long Way From Home» von Hank Cochran auf dem Soundtrack vertreten.

Two Tons of Steel in Zürich

Auf Rang 7 meiner 2005-Jahres-Top-Ten steht das Album «Vegas» der Band Two Tons of Steel aus San Antonio, Texas. Am 16. und 17. März treten Two Tons of Steel in Zürich auf, und zwar am Country-Festival im Schützenhaus Albisgüetli.
Ich habe zu diesem Anlass, der sich rühmt, das «längste Country-Festival der Welt» zu sein (es dauert dieses Jahr vom 3. Februar bis zum 19. März), ein etwas zwiespältiges Verhältnis. Einerseits finden sich in dem umfangreichen Programm, in dem etwas arg viele Schweizer Nachahmer zu finden sind, immer wieder Perlen wie dieses Jahr Two Tons of Steel. (Aus dem diesjährigen Programm kann ich zudem empfehlen: BR459 am 28. Februar sowie am 1. und 2. März; Jo-El Sonnier am 8. und 9. März; und vielleicht noch Albert Lee & Hogan’s Heroes am 15. März.) Doch der Anlass ist leider weitgehend eine Art Country-Fasnacht. Man sieht da mehr Cowboy-Hüte als in einer währschaften Dance Hall in Texas, und ein Grossteil des Publikums will einfach ein bisschen feiern und tanzen und interessiert sich nicht so spezifisch für die Musik. Es war vor einigen Jahren zum Beispiel ein Graus, als Katy Moffatt, die ich live jedes Mal, wenn ich sie sehe, sensationell gut finde (was auch das letztes Jahr erschienene Livealbum sehr schön bestätigte), auf der Bühne stand und ihre Lieder sang, während im Saal besoffene Horden rumgröhlten und desinteressierte Gäste laute Gespräche führten.
Nun, Two Tons of Steel werden darauf hoffentlich mit ihrer tollen Cover-Version des Ramones-Klassikers «I Wanna Be Sedated» kontern. Allein dafür werde ich mit die Veranstaltung antun.
PS. Am 14. März treten Two Tons of Steel in Deutschland auf: Four Corners, Untermeitingen – wo immer das sein mag.

10.2.06

Im CD-Wechsler (3/2006)

**** – Cast King, «Saw Mill Man» (Locust Music)
«Saw Mill Man» ist das Debütalbum des Singer/Songwriters Cast King aus Old Sand, Alabama. Wobei anzumerken ist, dass King am 16. Februar 2006 seinen 80. Geburtstag feiert. Seine erste Band, die Alabama Pals, hatte er schon als 14-Jähriger gegründet, später spielte er Country und Bluegrass als Cast King and the Country Drifters. Ein Demotape gelangte in die Hände von Sam Phillips und er lud darauf King zu Aufnahmen im Sun Studio in Memphis ein (wo Leute wie Johnny Cash und Elvis Presley ihre ersten Platten einspielten). Acht Songs wurden eingspielt, offenbar ein Teil davon als Singles veröffentlicht (ein Aufnahme von Cast King & the Miller Sisters ist auf dem Sampler «Sun Gospel» zu finden). Als sich die Band auflöste, schrieb Cast King weiter Songs, spielte aber nur noch für Freunde und Familie.
Ende der Neunzigerjahre begann Matt Downer, ein Musiker und Country-Aficionado, in Alabama Songs alter Musiker aufzunehmen, um sie vor dem Vergessenwerden zu bewahren. Von besuchten Musikern wurde er immer wieder auf Cast King hingewiesen. Als er ihn anrief, er wolle Sachen von ihm aufnehmen, wurde er von King monatelang immer wieder mit irgendwelchen Ausreden vertröstet. Bis er ihn anrief, und nichts von Aufnahmen sagte, sondern nur, er wolle mit ihm spielen. «You can come here anytime; I’m usually here if I ain’t gone somewhere», habe King gesagt. Das war im Mai 2003, und seither ist Downer immer wieder dort gewesen, Knie an Knie mit King auf der Veranda gesessen. Song um Song hat ihm King vorgespielt und vorgesungen. Mit den Monaten begann Downer auch Aufnahmen zu machen, und eine Auswahl legt er jetzt auf diesem Album vor.
Und siehe da: Das ist ein Dutzend schöne Songs, die fesgehalten zu haben wirklich ein Verdienst ist. Es sind Country-Songs über die Arbeit in der «Saw Mill», über «the search for happiness on the bottom of the bottle“, über schöne Mädchen und die grosse Liebe.

**** – Sam Baker, «Mercy» (self-released)
Call a truce, call a war / Everyone is a bastard, everyone is whore / Everyone is a saint, everyone is redeemed / Everyone is at the mercy of another one’s dream
Wir schrieben 2006, dieses Album ist noch von 2004, hat aber erst jetzt den Weg in meinen CD-Wechsler gefunden. Es ist das Debüt des Singer/Songwriters Sam Baker aus Autstin, Texas. Produziert hat diese Perle Walt Wilkins, der auch mitspielt. Baker hört sich nach einem älteren Mann an, aussehen tut er wesentlich jünger. Und er ist vor allem ein ganz starker Songwriter.
Engagiert bringt er seine Message auf den Punkt. In «Change» etwa:
Those same little girls / Went to work in those stores / Those same little boys went away to wars / But when they came home / All the jobs hat gone away / Back to those places where they fought so far away.
Begleitet wird Baker von einer Band mit Pedal-steel, Dobro, Bass, Cello, Drums, Violine, Mandoline sowie von einer ganzen Reihe von Gastsängern, darunter Jessi Colter, Kevin Welch, Joy Lynn White und Koproduzent Walt Wilkin.

***1/2 – The Dixie Bee-Liners (self-released)
Big City Bluegrass: Das Quartett mit dem Paar Brandi Hart und Buddy Woodward, das die Songs schreibt und sich im Gesang abwechselt, lebt in New York City. Brandi Hart stammt aus dem Bluegrass State Kentucky und sang schon als 2-Jährige im Kirchenchor. Woodward, der Mandoline, Gitarre, Banjo und Bass spielt, war bei der alt.country-Band The Ghost Rockets, und neben den Dixie Bee-Liners hat er auch noch die Honkytonk-Kombo Nitro Express. Zur Band gehören zudem Fiddler Alan Gruber, der auch Jazz und klassische Musik macht, und Leadgitarrist Danny Weiss, ein Bluegrass-Veteran, der auch bei Nitro Express Leadgitarrist ist.