31.8.05

Was ist Americana überhaupt?

Was ist eigentlich Americana? Die Amercana Music Association (AMA) definiert den Begriff so:
«Americana is American roots music based on the traditions of country. While the musical model can be traced back to the Elvis Presley marriage of hillbilly and R&B that birthed rock 'n' roll, Americana as a radio format developed during the 1990s as a reaction to the highly polished sound that defined the mainstream music of that decade. By also including influences ranging from folk to bluegrass to blues and beyond, Americana handily bridges the gap between Triple A radio and mainstream country.»
Aber Schreiben über Musik ist bekanntlich laut einem Frank Zappa zugeschriebenen Bonmot wie Tanzen über Architektur («Writing on music is much like dancing on architecture.»). Musik muss man hören. Einen tauglichen Überblick gibt die neue CD «This is Americana, Vol. 2», die von der AMA herausgegeben wurde und die für weniger als 2 Dollar (!) verkauft wird (erhältlich etwa bei Miles of Music, Village Records, aber auch bei Amazon.).
Die Songs darauf kommen von den aktuellen Alben der jeweiligen Musiker, also keine Raritäten und speziellen Sachen.
Track Listing:
• Sarah Borges - Daniel Lee
• Clem Snide - Fill Me With Your Light
• Julie Lee - Stillhouse Road
• Jitterbug Thompson – Fool
• Kathleen Edwards -Back To Me
• Robert Earl Keen - The Great Hank
• Holly Williams - Man In The Making
• John Doe (w/Dave Alvin & Veronica Jane) - Mama Don`t
• Amy Speace - Step Out Of The Shade
• Hacienda Brothers - Walkin` On My Dreams
• Caitlin Cary & Thad Cockrell - Party Time
• The Greencards – Time
• Robin Ella - Break It Down Baby
• Eric Bibb (w/Ruthie Foster) – Troubadour
• Adrienne Young - My Love Will Keep
• Maria McKee - Turn Away
• Jackie Greene - About Cell Block #9
• Michelle Shocked - How You Play The Game
• Rodney Crowell - The Obscenity Prayer
• Mary Gauthier - I Drink

Die erste Folge von «This is Americana» ist vor einem Jahr erschienen.
Track Listing:
• BR549 - That`s What I Get
• Slaid Cleaves – Wishbones
• Willie Nelson & Ray Price - I`m So Ashamed
• Tift Merritt - Ain`t Looking Closely
• Nitty Gritty Dirt Band w/Kris Kristofferson - Watch & Chain
• Allison Kraus & Union Station - Every Time You Say Goodbye
• Danny Barnes - Life In The Country
• The Jayhawks - All The Right Reasons
• Anne McCue – Stupid
• Notorious Cherry Bombs - Wait A Minute
• Rosanne Cash w/Johnny Cash - When It Comes
• Fairfax - If I Die
• Jay Farrar - Doesn`t Have To Be This Way
• Ralph Stanley - Wild Geese Cry
• Jim Lauderdale - Trashcan Tomcat
• Shelby Lynne – Telephone
• King Wilkie - Broke Down & Lonesome
• Lori McKenna - Bible Song
• Junior Brown - Little Red Rivi-Airhead
• Lucinda Williams – Ventura
• Arthur Godfrey - Amen

29.8.05

***** CD-Bewertungen

Meine Beschreibungen der CDs, die in meinem Wechsler stecken, sind oft relativ neutral, bringen mehr Information als Meinung. Damit mehr Klarheit darüber herrscht, wie mir die einzelnen Platten tatsächlich gefallen, bewerte ich sie ab sofort mit Sternchen.
Die Regeln:
- 5 ***** sind die Maximalnote; es gibt halbe Noten.
- Die Bewertungen sind absolut subjektiv.
- Die Bedeutung der Sterne (Qualität / Kaufempfehlung):
***** = herausragend / must have
**** = sehr gut / sehr empfohlen
*** = gut / bedingt empfohlen/für Fans
** = nicht wirklich gut / höchstens für Fans
* = schlecht / Hände weg!
(kommt 1/2 dazu, liegt die Bewertung zwischen den beiden vollen Noten.)

Die bisher hier erwähnten Platten habe ich bereits bewertet:


*****
Amber Digby, «Music from the Honky Tonks»
Taj Mahal, «Mkutano»


****1/2
John Hiatt, «Master of Disaster»
Michelle Shocked, «Don’t Ask, Don’t Tell»
Two Tons of Steel, «Vegas»
Dwight Yoakam, «Blame the Vain»


****
Sarah Borges, «Silver City»
Hayes Carll, «Little Rock»
Heavy Trash, «Heavy Trash»
The Knitters, «The Modern Sounds Of... The Knitters»
Jimmy Ryan, «Gospel Shirt»
Michelle Shocked, «Mexican Standoff»
Michelle Shocked, «Threesome»
Son Volt, «Okemah & The Melody of Riot»
Dao Strom, «Send Me Home»
Chip Taylor & Carrie Rodriguez, «Red Dog Tracks
Urban Junior, «Music for the Asses»


***1/2
Buckwheat Zydeco, «Jackpot!»
Laura Cantrell, «Humming By The Flowered Vine»
Grey DeLisle, «Iron Flowers»
Stacey Earle & Mark Stuart, «Communion Bread»
Robert Earl Keen, «What I Really Mean»
Shannon McNally, «Geronimo»
Kate Maki, «The Sun Will Find Us»
Michelle Shocked, «Got No Strings»
Camille Te Nahu & Stuie French, «Not Without You»


***
American Ambulance, «Streets of NYC»
Robert Gordon, «Satisfied Mind»
Les Honky More Tonkies, «Fabled Catbird Seat»
Ted Russell Kamp, «NorthSouth»
The Resentments, «Switcheroo»
X-Rated Cowbos, «X-Rated Cowboys


**1/2
Bianca DeLeon, «The Long Slow Decline of Carmelita»
Patricia Vonne, «Guitars & Castanets»


**
Clay McClinton, «Out of the Blue»
Terry Melcher, «Terry Melcher» (1974)

26.8.05

Sources (2): «3rd Coast Music»

Meine Lieblingsinformationsquelle für Musik ist ein bescheidenes, schwarz-weisses Blättchen auf billigem Zeitungspapier, 8 bis 16 grosse (35 x 29 cm) Seiten pro Monat, ausnahmsweise können es auch mal bis 24 oder 28 sein: «3rd Coast Music». Ich bin seit über 15 Jahren Abonnent. Gemacht wird dieses Blatt bereits seit 16 Jahren von John Conquest, einem Briten, der heute in San Antonio, Texas, lebt.
Als ich Ende 1989 zum ersten Mal nach Austin, Texas, kam, lag dieses Heftchen, damals noch geheftet und nicht als Zeitung, unter dem Namen «Music City» gratis in Clubs und Plattenläden auf. Conquest, davor in England unter anderem als Musikjournalist für «Time-Out» tätig, war der Musik wegen nach Austin gezogen. Und da er sich darüber ärgerte, wie die Lokalpresse mit der lokalen Musikszene umging, gründete er sein eigenes Blatt.
Den Namen «Music City» musste er bald ändern, weil das den Typen in Nashville, die zum Gallonenhut einen Business-Anzug tragen, gar nicht gefiel: «Music City» ist eine geschützte Marke der Stadt Nashville. Conquest behalf sich damit, «Texas» anzufügen: «Music City Texas» hiess das Blatt die nächsten Jahre. Doch die Beschränkung auf die Szene Austins wurde John Conquest mit der Zeit zu eng, der Fokus seines Blattes öffnete sich auf den weiteren Süden, vor allem auch auf Louisiana. Im neuen Titel «3rd Coast Music» drückt sich das aus. (Die 3rd Coast ist quasi die Südküste der USA zum Golf von Mexico, die oft fast ein wenig vergessen geht; meist hort man von der sonnigen Westcoast und der intellektuellen Eastcoast.) Conquest war mit den Jahren auch enttäuscht darüber, wie sich die Musikszene in Austin entwickelte, wie sich die einst so gute und freundschaftliche Stimmung in der Szene mehr und mehr verschlechterte, und zog nach San Antonio,
Ab und zu hatte der eigenwillige Schreiber Mitredakteure, aber das dauerte nie lange. Das Blatt blieb die One-Man-Show von John Conquest. Seit einiger Zeit hat der Musikschreiber Charles Earle aus Nashville eine ganzseitige Kolumne («Charles Earle’s B-Sides»).
Den Hauptteil des Heftes, das ursprünglich vor allem ein Veranstaltungskalender für die Clubs in Austin war, sind kurze Platten-Reviews. Da stösst man immer wieder – und darum mag ich das Blatt so – auf neue Namen in Reviews, welche die Neugier wecken. Und daraus wird schon mal der eine oder andere Liebling – zuletzt zum Beispiel Amber Digby.
John Conquest ist ziemlich rigoros in seinen Urteilen. Er putzt auch Szenelieblinge grob runter, wenn ihm etwas nicht passt. Anderseits pusht er auch hemmungslos, was er gut findet. Zum Beispiel Amber Digby. Und die ist ja wirklich gut. Er hat auch die eine oder andere Marotte, die ein bisschen nerven mag. Zum Beispiel geht seine Aversion gegen das Business so weit, dass er Musiker in der Regel nur gut findet, so lange sie nicht kommerziell erfolgreich sind.
Gewiss, ich bin nicht immer einig mit Conquests Urteilen. Aber oft. Und was ich an seiner Arbeit schätze: Er ist kein Schleimer, er foutiert sich darum, was oder wer gerade angesagt ist, er schreibt keine Gefälligkeits-Reviews. Er engagiert sich mit Leib und Seele für die Musik, die er mag. Zum Beispiel auch mit den «Freeform American Roots»-Charts. Darüber ein andermal mehr.
«3rd Coast Music» liegt immer noch gratis in Clubs und Läden auf. Ausserhalb dieses Verbreitungsgebietes kann man das Blatt für wenig Geld abonnieren, sowohl in der gedruckten Version (kommt in einem altmodischen, gelben Umschlag) wie auch als PDF per E-Mail. Die paar Dollar lohnen sich.

«The New Yorker» über Kinky Friedman

Kinky Friemans Kampagne für seine Kandidatur als Gouverneur von Texas läuft.
Eine schöne Story über «Kinky Friedman on the campaign trail» hat «The New Yorker», nachzulesen hier.

21.8.05

Im CD-Wechsler (Woche 33 / 2005)

• Shannon McNally, «Geronimo» (Back Porch)
Irgendwo im weiten Feld zwischen einer Lucinda Williams und einer Sheryl Crow würde ich Shannon McNally ansiedeln. Und sie hat auch das Zeug zum Star. Ihr zweites Album hat Charlie Sexton produziert, der auch als Gitarrist fungiert. Aus der Band von Bob Dylan, mit der Sexton lange tourte, hat er Bassist Tony Garnier mitgebracht, aus seiner Heimatstadt Austin, Texas, den dort lebenden britischen Keyboarder Ian McLagan (ex Small Faces). Von rockig bis balladesk variieren die zwölf Songs, bis auf «Tennesse Blues» von Bobby Charles alle von McNally selbst geschrieben (oder ko-geschrieben).

• Patricia Vonne, «Guitars & Castanets» (CoraZong)
Als interessante Roots-Rock-Songschreiberin und –Sängerin zeigt sich Patricia Vonne aus Austin, Texas, auf ihrem zweiten Album. Wie der Titel schon andeutet, gibts neben eher rockigen, englischen Songs auch spanische Titel. Eigentlich mag ich den TexMex-Sound ja sehr, bei Patricia Vonne besteht der aber vor allem aus Flamceno-artigem Gitarren-Geklimper, und auch das im Albumtitel angedrohte Castagnetten-Geklapper bleibt uns leider nicht erspart. Schade, dass es Patricia Vonne nicht gelingt, den Ami-Rock und das Spanisch-Mexikanische zu einer Einheit zu verbinden. Sie hat doch so viel Talent. Ich werde auch ihr nächstes Album wieder riskieren.

• Laura Cantrell, «Humming By The Flowered Vine» (Matador)
«Not the Tremblin' Kind», das Debütalbum von Laura Cantrell, schaffte es anno 2000 mühelos in meine Jahres-Top-10. Vielleicht war es der melancholische Unterton, der mich auf Anhieb erwischte. Die aus Tennessee stammende, aber seit Jahren in New York lebende Singer/Songwritern macht seit Jahren eine viel gerühmten Roots-Radiosendung («Radio Thrift Shop» auf WFMU, Jersey City, NJ) und kennt sich in der Musik bestens auf, was sich immer auch in der Auswahl der Songs, die ihre eigenen ergänzen, auf ihren Alben zeigt. Ihr musikalisches Spektrum reicht von klassischem Country zu modernem Folkpop.

• Camille Te Nahu & Stuie French, «Not Without You» (self-released)
«Camille is one of my favourite singers ever. She is a beautiful person with a million dollar voice. We're lucky to have her in Australia», sagt Kasey Chambers. Als Backgroundsängerin für die grossartige Kasey Chambers tauchte Camille Te Nahu, die aus Neuseeland stammt, in der Musikszene auf. 2002 kam dann ihr bezauberndes Debüt «Camille Te Nahu» nur mit Covers, darunter etwa «I Can't Make You Love Me» und «I'm So Lonesome I Could Cry». Ihr neues Album spielte sie mit dem Australier Stuie French (von der Band Feral Swing Katz) ein. Es sind teils Duette, teils singt Stuie für sie Background, vereinzelt sie für ihn. Schöne Country-Folk-Klänge, die auch mal mehr Richtung Countryrock, mal Richtung Folkpop gehen.

• Buckwheat Zydeco, «Jackpot!» (Tomorrow)
«Jackpot!» ist das erste Studioalbum von Stanley Dural Jr. aka Buckwheat Zydeco seit acht Jahren. Der begnadete Akkordeonspieler zeigt da nicht nur seine überschäumende Energie an der Handorgel. «Encore: featuring Organic Buckwheat» kündigt er auf dem Albumcover seine Zugaben an – in welchen er das Akkordeon mit der Hammond-Orgel tauscht, was den Songs eine Art Soul-Note gibt. Gleichzeitig ist das auch eine Rückkehr zu seinen Wurzeln: Bekannt wurde Stanley Dural Jr. vor seiner Solokarriere in den Siebzigerjahren als Hammond-Organist in der Red Hot Louisiana Band des legendären Zydeco-Kings Clifton Chenier.

• Urban Junior, «Music for the Asses» (FF Records/RecRec)
Von wegen «Americana». Urban Junior kommt weder aus Alabama noch aus Arkansas – sondern aus Aarau, Schweiz. Wer mich kennt weiss, dass ich kein ausgeprochener Freund einheimischen Musikschaffens bin; es braucht schon einiges, damit es ein Schweizer auf meine private Playlist schafft. Beim Auftritt von Iggy Pop in Luzern neulich war es, als ich Urban Junior verfiel, der da ein viel zu kurzes Vorprogramm bestritt. Ich hatte keine Ahnung wer dieser junge Schweizer war, wurde dann aber aufgeklärt, dass es sich um ein Soloprojekt des Sängers der viel gerühmten Schweizer Band HNO (von der ich wohl schon den Namen gehört habe, mehr aber nicht) handle. Dieser Urban Junior schrammt auf verschiedenen Gitarren ein paar einfache Riffs, bedient mit den Füssen dazu ein abgespecktes Schlagzeug und singt in irgend etwas wie ein Billigmegaphon. So einfach. Ist aber purer Rock ’n’ Roll. Brachial, aber verdammt gut. Als vergleichbare Musiker fallen mir nur die Dirty Old One Man Band von Scott H. Biram oder Bob Log III ein. Urban Junior ist das Gegenteil des FC Aarau – Weltklasse aus Aarau!

12.8.05

Im CD-Wechsler (Woche 32 / 2005)

• The Knitters, «The Modern Sounds Of... The Knitters» (Zoë)
Die LP «Poor Little Critter On The Road» von The Knitters, erschienen 1985, seht seit eh und je auf meiner «Einsame-Insel-Liste». John Doe, Exene Cervenka und D.J. Bonebrake von der L.A.-Punk-Band X hatten dieses Projekt zusammen mit ihrem Freund Dave Alvin, damals bei The Blasters, auf die Beine gestellt. Eine ironische aber liebevolle Auseinandersetzung mit Country und Rockabilly, teils mit X-Songs in akustischen Versionen. Und mit einer absoluten Ohrwurmversion des Traditionals «Walkin’ Cane». Zwanzig Jahre später knüpfen The Knitters augenzwinkernd an ihrem Kultalbum an. Keine Frage, dass der Titel ironisch gemeint ist.

• American Ambulance, «Streets of NYC» (Hayden’s Ferry)
Americana kommt nicht nur aus dem tiefen Süden der USA oder von der Westcoast. Überall gibt es einschlägige Bands, selbst in New York City. Zum Beispiel The Hangdogs. Und American Ambulance. Die sind zwar nicht in Manhattan zu Hause, aber immerhin in Brooklyn. Und sie spielen auch auf ihrem vierten Album prima Rootsrock.

• X-Rated Cowbos, «X-Rated Cowboys» (FFN)
Dan Baird von den legendären Georgia Satellites produzierte das dritte Album der X-Rated Cowboys aus Columbus, Ohio. Kein Wunder, gibts da satten Südstaatenrock. Aber nicht nur. Es haben auch feine Countryklänge mit leicht poppigem Einschlag Platz.

• Two Tons of Steel, «Vegas» (Palo Duro)
Als ich das letzte Mal ein Album dieser Jungs aus San Antonio, Texas, kaufte, nannten sie sich Dead Crickets. Jetzt sind sie zu ihrem früheren Namen zurückgekehrt. Wie auch immer sie sich nennen: Eine scharfe Rockabilly-Kombo, die sich auch Ausflüge in Western Swing und Honkytonky leistet. Höhepunkt: ein Rockabilly-Cover von «I Wanna Be Sedated» von den Ramones! Produziert von Lloyd Maines. (Produkte mit der Aufschrift «Produced by Lloyd Maines» kaufe ich immer, auch wenn ich vom Interpreten noch nie zuvor gehört habe.)

• Bianca DeLeon, «The Long Slow Decline of Carmelita» (Lonesome Highway)
Aus San Antonio kommt auch TexMex-Singer/Songwriterin Bianca DeLeon, die vor vier Jahren mit «Outlaws & Lovers» debütierte. Ich habe das in ganz guter Erinnerung, und da hats das neue Album schwer. Nicht dass es schlecht wäre, aber es kommt nicht so gut rüber. Die Songs sind inhaltlich eine Spur zu bemüht engagiert, musikalisch ein bisschen zu wenig originell. Hevorragende Musiker, darunter Akkordeonist Flaco Jimenez und Fiddler Bobby Flores, haben sie unterstützt, aber alles klingt ein bisschen zu flau.

• Clay McClinton, «Out of the Blue» (self-released)
Je mehr Söhne von Musikern, die man schon lange hört, auch Platten machen, um so mehr merkt man, dass man langsam alt wird... Jetzt also auch Clay McClinton, der Sohn von Delbert McClinton. Sein Bluesrock scheint sich stark am berühmten Daddy zu orientieren, lässt aber immerhin einiges Talent aufblitzen. Wenn er seinen eigenen Sound findet, kann aus ihm was werden.

6.8.05

DRS 3: Mehr Konserven-Tipps

• Das Schweizer Radio DRS 3, bringt Dr. John & The New Island Social and Pleasure Club live 1992 im Atlantis in Basel in zwei Teilen: am Montag, 8. August 2005, 21.03 bis 22 Uhr die erste Häfte, die zweite Hälfte dann eine Woche später, am 15. August 2005, gleiche Zeit.

• UND ACHTUNG: Am Dienstag, 9. August 2005 20.03 bis 22 Uhr, auf dem gleichen Kanal der unvergessene Auftritt von Jimmie Dale Gilmore, Butch Hancock und Joe Ely aka The Flatlanders vom Singer-Songwriter-Festival Frutigen 1991. Eine wahre Live-Perle!

Im CD-Wechsler (Woche 30/31 / 2005)

• John Hiatt, «Master of Disaster» (New West)
Wow, was für ein Album! Für mich das drittbeste von John Hiatt. Er war ja schon seit den Siebzigerjahren ein begnadeter Songwriter, und er wurde ein immer besserer Sänger. Nur musikalisch griff er immer mal wieder etwas daneben. 1987 dann das Meisterwerk: «Bring the Family» – mit der Traumbesetzung Ry Cooder (git), Nick Lowe (b), Jim Keltner (dr). Im Jahr darauf doppelte John Hiatt gleich nach: Auf «Slow Turning» liess er sich von The Goners begleiten, die aus Louisiana’s Gitarren-As Sonny Landreth und dessen Band bestanden. Den Auftritt von John Hiatt & The Goners auf der «Slow Turning»-Tour im Volkshaus Zürich habe ich noch heute im Ohr.
Was John Hiatt seither gemacht hat, war nie schlecht. Aber nie mehr so gut, wie sein Doppelschlag von 1987 und 1988. Bis jetzt. «Master of Disaster» wurde produziert vom legendären Jim Dickinson in Memphis, dessen Liste von Einsätzen als Keyboarder und/oder Produzent in den letzten Jahrzehnten sich liest wie ein Auszug aus dem Rocklexikon (klitzekleiner Auszug gefällg? Bitte: Ry Cooder, Willy DeVille, Bob Dylan, Aretha Franklin, Green on Red, Arlo Guthrie, Screamin’ Jay Hawkins, Jason & the Scorchers, Los Lobos, G.Love & Special Sauce, Mudhoney, The Radiators, The Replacements, The Rolling Stones, Slobberbone, Texas Tornados, Toots & the Maytals...).
Jim Dickinsons Söhne Luther und Cody, die inzwischen mit ihrer Band North Mississippi Allstars auch bestens bekannt sind, sorgen auf «Master of Disaster» an Gitarren und Schlagzeug für den erdigen Sound, auf dem John Hiatts kernige Stimme so gut gedeiht. Neben den Jungspunden spielt Muscle-Shoals-Session-Veteran David Hood den Bass.

• Son Volt, «Okemah & The Melody of Riot» (Sony BMG)
Ein willkommenes Comeback: Jay Farrar reaktiviert seine famose Band Son Volt mit neuer Besetzung: Starke Songs, markante Gitarren – erinnert an die besten Sachen von Uncle Tupelo.
Uncle Tupelo war vor 15 Jahren die Band der Kindheitsfreunde Jay Farrar und Jeff Tweedy. Mit ihrem Debüt «No Depression» lösten sie 1990 Einiges aus: Sie brachten das, was manche dann alt.country nannten, in die Kreise des Alternativrocks und lösten damit einen kleinen Americana-Boom. Sogar eine Zeitschrift benannte sich nach dem Albumtitel: Bis heute ist das zweimonatlich erscheinende Magazin «No Depression» so etwas wie die alt.country-Bibel. Nicht dass es Musik, wie Uncle Tupelo sie machten, vorher nicht gegeben hätte, aber sie gewannen ein neues, auch jüngeres Publikum dafür.
Nach dem ganz starken vierten Album «Anodyne» (mit einem meiner Lieblingssongs des legendären Doug Sahm: «Give Back the Key to My Heart») trennten sich die Wege von Tweedy und Farrar. Tweedy machte weiter mit Wilco, Farrar mit Son Volt. Wilco waren erfolgreicher, Son Volt aber waren – für meinen Geschmack – besser. Nach drei Alben mit Son Volt zwischen 1995 und 1998 machte Farrar solo weiter. Nun die erfreuliche Rückkehr von Son Volt: Das neue Album von Son Volt, «Okemah & The Melody of Riot», hat die Qualitäten des Erstlings «Trace» von 1995. Engagierte Texte, scharfe Gitarren – einfach gut.

• Terry Melcher, «Terry Melcher» (Collector’s Choice)
Grauenhaft das Cover: Ein blasser Mann mit rötlich-blonden, halblangen Haaren, ebensolchem Schnäuzchen, in einem beigen Rollkragenpullover und einem beigen Sakko. Sieht aus wie ein Pornodarsteller aus den Siebzigerjahren. Nun, mit den Siebzigerjahren liegt man richtig: Die Original-LP erschien 1974. Terry Melcher (übrigens der Sohn von Doris Day) war in den Sechziger- und Siebzigerjahren eine wichtige Figur in der Musikszene von Los Angeles. Er arbeitete mit Bobby Darin und Randy Newman, wurde Produzent bei Columbia Records, wo er unter anderen eine neue Band namens The Byrds betreute. Er produzierte zudem das einzige Album der legendären Rising Sons – der gemeinsamen Band von Ry Cooder und Taj Mahal, als sie jung waren. Im November 2004 starb Melcher nach jahrelangem Kampf gegen den Krebs.
Auf seinem eigenen Album wurde er denn auch von vielen Topmusikern unterstützt, darunter etwa Ry Cooder und Chris Hillman. Das Resultat klingt nach der sehr süssen Variante des Westcoast-Sounds der Seventies – und ziemlich überproduziert. Also eher historisch als musikalisch interessant.

• Chip Taylor & Carrie Rodriguez, «Red Dog Tracks» (Back Porch)
Der alte Mann und die schöne junge Frau. Singer/Songwriter-Legende Chip Taylor (geboren übrigens als James Wesley Voight und Bruder des Schauspielers Jon Voight) spielt seit vier Jahren mit der Violinistin und Sängerin Carrie Rodriguez (deren Vater David Rodriguez in Texas als engagierter Singer/Songwriter von sich reden machte, dann aber nach Holland auswanderte und aus der Musikszene verschwand). Ihre Country-Folk-Duette sind einfach wunderschön. Begleitet werden sie auf dem neuen Album unter anderem vom Jazzgitarristen Bill Frisell.
Chip Taylor war in den Sixties als Songwriter für etliche Hits verantwortlich, «Wild Thing» (Jimi Hendrix, The Troggs) und «Angel of the Morning» (Juice Newton, Chrissie Hynde) sind seine bekanntesten Songs. Selber veröffentlichte er in den Siebziger- und frühen Achtzigerjahren sechs Soloalben, darunter 1973 das herausragende Countryrockalbum «Chip Taylor’s Last Chance». In den frühen Achtzigern verschwand er aus der Musikszene - und wurde Profi-Spieler. An einer Black-Jack-Weltmeisterschaft in Las Vegas wurde er dritter, in Atlantic City räumte er an den Kartentischen derart ab, dass er bald in jedem Casino Hausverbot hatte. Da sattelte er um auf Pferdewetten.
1993 tauchte er wieder in der Musikszene auf, als er zu einer Songwriter-Tour mit Midge Ure, Darden Smith, Rosie Flores und Don Henry eingeladen wurde. 1996 legte er mit «Hit Man» erstmals wieder ein eigenes Album vor: eigene Interpretationen der Hits, die er für andere geschrieben hatte. 1997 folgte mit den «Living Room Tapes» ein wunderbar intimes Album, das ihn in der neuen Country/Folk-Singer/Songwriter-Szene etablierte.

• Stacey Earle & Mark Stuart, «Communion Bread» (Funzalo)
Das neue Album des Ehepaares Stacey Earle (übrigens die Schwester von Steve Earle) und Mark Stuart bringt wie gewohnt hausgemachten, akustischen Country-Folk. Staceys etwas rauhe und dadurch interessante Stimme wird durch Marks warme Harmonien ergänzt.

• Grey DeLisle, «Iron Flowers» (Sugar Hill)
Die Alben von Grey DeLisle werden von mal zu mal düsterer. Ihr neues Werk wird als irgendwo zwischen Neko Case und Tom Waits beschrieben. Produziert wie immer von Marvin Etzioni (Lone Justice), mit von der Partie sind u.a. Greys Ehemann Murray Hammond (Old 97’s), Dave Mattacks (Fairport Convention) sowie die Americana-Allzweckwaffen Don Heffington und Greg Leisz.

4.8.05

Leckere Konserven auf DRS 3

Während der Sommerwochen füllen die elektronischen Medien gerne viel Sendezeit mit angestaubter Archivware ab. Die Musikverantwortlichen beim Schweizer Radio DRS 3 haben auch in ihrem Archiv gewühlt – und dabei sehr leckere Konserven ausgegraben: Unter dem Titel Dein Liveradio werden da an Stelle der üblichen wöchentlichen Specials während ein paar Wochen Aufzeichnungen älterer Liveübertragungen von Konzerten gespielt. Gestern abend zum Beispiel der tolle Auftritt der Georgia Satellites von 1987 in Winterthur. Im Jahr nach ihrem Hit «Keep Your Hands To Yourself» war die Band in Hochform: scharfe Gitarrenriffs, knackige Beats. Es war eine wahre Freude.
Am Tag davor stand der wunderbare Auftritt von Emmylou Harris & Spyboy vom Januar 1997 im Kongresshaus Zürich – wer dabei war, erinnert sich noch heute gerne daran – auf dem Programm. Eine Woche vorher gab es Lyle Lovett & The Large Band von 1996 in Gstaad zum Wiederhören – eines der Konzerte auf meiner ewigen Live-Top-10-Liste!
Und es geht weiter, hinhören lohnt sich:
• Heute Donnerstag, 4. August 2005, 20.03 bis 22.00 Uhr: Chris Isaak 1987 im Kaufleuten in Zürich.
• Mittwoch, 10. August 2005, 20.03 bis 22.00 Uhr: Beck 1997 am Open-air St. Gallen.
Daneben klaffen noch einige Lücken in der Vorschau; aber vor allem am Dienstag, wo sonst der (übrigens immer empfehlenswerte) «Country Special» auf dem Programm steht, sollte man einfach mal reinhören – da kommt sicher was Gutes!