31.12.06

Im CD-Wechsler (20/2006)

****1/2 – Honky Tonk Disciples, „Kickin’ Up Dust“ (self-released)
Zum Jahresende noch eine neue Lieblingsband. Die Honky Tonk Disciples sind eine hart rockende Country-Combo aus Louisiana, die rohen Rock ’n’ Roll und Tanzhallen-Country und den Blues des tiefen Südens zu einer neuen Einheit verschmelzt. Die Disciples haben die scharfen Gitarrenriffs der Georgia Satellites, den melodiösen Rocksound der Hooters, aber auch die Landstrasseneinsamkeit eines Hank Williams. Meistens gehts mit Vollgas ab; manche Hardrockband könnte sich da noch was abgucken. Doch dann kippt die Fiddle, die vorher wie eine kreischende Säge eingesetzt wurde, plötzlich in melodiösen Countrystil – allerdings meist etwas schneller als gewohnt. Alle zwölf Songs sind eigene Werke, geschrieben von Sänger/Gitarrist Michael Howes und Leadgitarrist Danny Bond. Produziert wurde das tolle Album von Dan Baird, einem der Gründer der Georgia Satellites.

***** – Blaze Foley and The Beaver Valley Boys, „Cold, Cold World“ (Lost Art)
Blaze Foley (1949–1998), der eigentlich Michael David Fuller hiess, war ein begnadeter Songwriter – und ein wahrer Outlaw. Er hatte keinen festen Wohnsitz, ständig Probleme mit den Behörden – und 1998 wurde er in einem abstrusen Streit vom Sohn eines Freundes erschossen. Seit ein paar Jahren werden seine unveröffentlichten Schätze nach und nach veröffentlicht. Nach „Wanted More Dead Than Alive“ im letzten Jahr kommen nun Aufnahmen, die der Produzent, Musiker und Singer/Songwriter Gurf Morlix 1979 in Houston und 1980 in Fredericksburg, Texas, mit Foley gemacht hat. Neben von anderen Aufnahmen bekannten Songs wie „Small Town Hero“, „Slow Boat to China“, „Election Day“, „Christian Lady Talkin’ On a Bus“ und „Faded Love & Memories“ finden sich unter den 17 Titeln auch ein paar, die noch nie veröffentlicht waren. Die Begleitung durch Morlix und Musiker seiner damaligen Band steht voll im Dienst der Songs und ist wunderbar stimmig. Ein kleines Meisterwerk.

****1/2 – Ramsay Midwood, „Popular Delusions & the Madness of Cows“ (Farmwire)
Ramsay Midwood, aus einer Musikerfamilie Arlington, Virginia, stammend, war Schauspieler in Chicago und Los Angeles, daneben trat er auch mit seinen Songs auf. Vor ein paar Jahren liess er sich als Musiker in Austin, Texas, nieder. Er wird oft mit dem frühen Tom Waits verglichen, aber auch mit Leon Redbone. Seine schrägen Geschichten murmelt er fast mehr als er sie singt, die Musik ist eine virtuose Melange aus Blues, Folk, Rock und Country, meist ziemlich laid back. Auf seinem neuen Album, produziert von Don Heffington, spielen einige Exponenten der Crème-de-la-crème der Americana-Szene mit: Randy Weeks (electric guitar, Banjo), Don Heffington (drums, harmonica, percussion), Kip Boardman (bass, piano), Danny McGough (organ), Phil Parlapiano (accordion, organ), Greg Leisz (lap steel, mandolin), Jon Birdsong (tuba, baritone horn). Grosse Klasse!


Jahresendeaufwisch im Schnelldurchlauf (Part II)

**** – Trent Summar & The New Row Mob, „Horseshoes & Hand Grenades“ (Palo Duro)
Countryrock hart und laut, ein bisschen wie die Honky Tonk Disciples (siehe oben). Keine Wunder – auch hier hat Dan Baird seine Finger drin, bzw. an der Gitarre. Macht echt Freude!

**** – Todd Snider, „The Devil You Know“ (New Door/Universal)
Sein letztes Album „East Nashville Skyline“ gehörte 2004 zu meinen Favoriten. Auch auf seinem neuesten Werk ist der Singer/Songwriter mit dem manchmal etwas schrägen Country-Folk-Rock-Blues-Sound frech, witzig, frisch – und einfach gut.

**** – Augie Meyers & The Rocka Baca’s, „My Freeholies Ain’t Free Anymore“ (El Sendero)
Augie Meyers, der legendäre Organist und Akkordeonist (Sir Douglas Quintet, Texas Tornados, Bob Dylan u.v.a) aus San Antonio, Texas, zeigt wieder einmal, was er drauf hat, nachdem das letzte Album eher peinlich ausgefallen war. Die Handorgel überlässt er hier Michael Guerra und David Farian, um selber Gitarre und Orgel zu spielen – und natürlich zu singen. Augie hat das Album mit einigen neuen eigenen Songs zusammen mit Drummer Max Baca (bekannt aus Flaco Jimenez’ Band) produziert, Bobby Flores steuert Fiddle und Steel-guitar bei. Eine schöne Texmex-Mischung mit Drive und Schmelz.

**** – 18 Wheeler, „Charmed Life“ (BWJ)
Dass es das noch gibt: Rockabilly mit Vollgas und punkiger Attitüde. 18 Wheeler ist ein Trio aus Denver, Colorado, das als Wurzeln seiner Musik den Rockabilly der Fünfzigerjahre ebenso nennt wie Einflüsse von Bands wie The Cramps, Kiss und The Beat Farmers. Gitarre, akustischer Bass, Drums – und dann das Gaspedal an den Anschlag. Macht Spass. Müsste man live sehen – würde sicher noch mehr Spass machen.

**** – William Elliott Whitmore, „Song of the Blackbird“ (Southern)
Der junge Mann mit der alten Stimme und dem Banjo ist zurück. Die Songs wie der Sound sind so düster wie zuvor. Stark nur seine Stimme und sein Banjo. Unter den wenigen Mitmusikern ist diesmal der brillante Pianist (und Singer/Songwriter) David Zollo, wie Whitmore aus Iowa.

**** – Wayne „The Train“ Hancock, „Tulsa“ (Bloodshot)
They won’t play no Dale Watson
They won’t play Wayne „The Train“
They’ll never play ole’ Hank III
And they don’t know my name
Dies singt J. B. Beverley im Titelsong seines tollen ersten Albums über das Country-Radio in den USA. Nun, ob sie Wayne Hancock spielen oder nicht – er ist einfach toll. Seine virtuose Mischung aus Western Swing, Country und Rockabilly zusammen mit seinem näselnden Gesang reisst einfach mit.

**** – Carrie Rodriguez, „Seven Angels On a Bicycle“ (Train Wreck)
Sehr schönes „Solo“-Album der Duettpartnerin und Violinisten von Chip Taylor. Mit Bill Frisell (electric guitar), Greg Leisz (steel guitars, dobro), Viktor Krauss (upright bass), Chip Taylor (accoustic guitar) u.a.

***1/2 – Chip Taylor, „Unglorious Hallelujah“ (EMI)
Viel Musik fürs Geld, fast etwas gar viel: Der grosse Songwriter Chip Taylor hat so viele neue Songs, dass er gleich noch eine zweite CD, betitelt „Red, Red, Rose & Other Songs of Love, Pain and Destruction“, beilegen liess. Insgesamt 24 Songs, wie immer sehr stimmungsvoll eingespielt.

***1/2 – Halden Wofford & The Hi*Beams, „Midnight Rodeo“ (self-released)
Neo-Honkytonk aus Austin, Texas. Witzig, gut gespielt.

***1/2 – Miss Leslie & her Juke Jointeres, „Honky Tonk Happy Hour“ (Zero Label)
Honkytonk-Stimmung zur Happy Hour im Continental Club in Houston, Texas. Leslie Lindley mischt Rockabilly und altmodische Countrysongs. Tolle Stimme, gute Band. Kommt noch besser als ihr Studioalbum vom Vorjahr..

***1/2 – Jessie Lee Miller, „Now You’re Gonna Be Loved“ (self-released)
Honkytonk mit Rockabilly-Einschlag. Tolle Stimme.

***1/2 – James Hand, „The Truth Will Set You Free“ (Rounder)
Country von heute in der zeitlosen Tradition von Lefty Frizzell, Hank Williams, Ernest Tubb. „The real deal!“, sagt Willie Nelson über James Hand.

*** – Kasey Chambers, „Carnival“ (Warner Bros.)
Mit ihrem Solo-Debüt „The Captain“ avancierte die australische Sängerin Kasey Chambers (die schon als Kind in der Familienkombo Dead Ringer Band dabei war) sozusagen über Nacht zum weltweiten Americana-Darling. Hier viertes Soloalbum klingt leider eher mau.

*** – The Resentments, „On My Way to See You“ (Freedom)
Austins „Super Group“ mit Stephen Bruton, Jon Dee Graham, Bruce Hughes, Scrappy Jud Newcomb und John Chipman war im Studio.

*** – Bruce Hughes, „Bluebird“ (Freedom)
Ansprechendes Debüt des Musikers (The Resentments, Bob Schneider Band, Poi Dog Pondering, The Ugly Americans) als Singer/Songwriter.

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