7.10.05

Im CD-Wechsler (Woche 40 / 2005)

****1/2 – Abigail Washburn, «Song Of The Traveling Daughter» (Nettwerk)
Bluegrass auf Chinesisch? Geht das? Bei Abigail Washburn schon. Aber die Bluegrass-Schublade ist für ihr Debütalbum sowieso viel zu eng. Sie begleitet ihre wunderbare, glockenhelle Stimme zwar mit Banjoklängen, dazu gesellen sich meist aber alsbald dunkle Cellotöne. Es gibt zwar auch Gitarren zu hören, im Hintergrund mal ein leises Akkordeon, ein bisschen Percussion auch, doch die Arrangements der zumeist eigenen Songs sind eher sparsam wenn nicht minimalistisch. Ein Song wird gar nur zweistimmig a capella gesungen. Ein Album (koproduziert übrigens von Banjo-Star Bela Fleck), das mit jedem Hören noch besser wird.
Und was es mit dem Chinesischen auf sich hat: Abigail Washburn kam als Austauschstudentin vor Jahren nach China. Dort spielte sie auf dem Banjo alte amerikanische Lieder. Nach der Rückkehr aus China begann sie sich mehr mit der Buegrass- und Folktradition zu befassen. Inzwischen war sie wieder in China auf Tournee. Und auf ihrem Album singt sie zwei Songs auf Mandarin-Chinesisch.
Abigail Washburn spielt übrigens auch Banjo in der Band Uncle Earl (siehe unten).

***1/2 – Uncle Earl, «She Waits For Night» (Rounder)
Traditioneller als Abigail Washburn ist Uncle Earl, wo sie auch Banjo spielt. Altmodisch ist dieses Frauenquintett (auf dem Album waren sie noch zu viert) jedoch nicht. Wie manche der neuen Bands, die sich auf die alte Musik besinnen, beziehen sich Uncle Earl auf die String Bands der Vor-Bluegrass-Zeit. Einen wichtigen Part spielt die Fiddle von Rayna Gellert. Kristin Andreassen spielt Gitarre, KC Groves vorwiegend Mandoline und Abigail Washburn Banjo. In den – wunderschönen – Gesang teilen sich die vier Frauen (neu dabei ist nun Sharon Gilchrist, die Bass und Mandoline spielt). Die meisten Songs auf dem von Dirk Powell (Balfa Toujours) produzierten Album sind Traditionals.

**** – Adam Carroll, «Far Away Blues» (Blue Corn Music)
Wie ein etwas jüngerer John Prine kommt mir der Texaner Adam Carroll vor. Sein neues Album, produziert von Lloyd Maines, bringt starke eigene Songs in unaufgeregtem Countryfolk-Stil. Carrolls akustische Gitarre wird vor allem durch Lloyd Maines’ viele Arten von Saiteninstrumenten – steel guitar, Dobro, Mandoline usw. – begleitet. Dazu gibts etwas Fiddle und Cello von Richard Bowden, Bass von Glenn Fukunaga, Hammond organ von Riley Osbourn sowie Harmoniestimmen kommen von Terri Hendrix und Ray Wylie Hubbard.

**** – William Elliott Whitmore, «Ashes To Dust» (Southern)
Nein, das ist nicht der versoffene Vater von Tom Waits. William Elliott Whitmore könnte vom Alter her Waits’ Sohn sein, auch wenn seine Stimme klingt, als hätte da einer sechzig Jahre lang zu viel geraucht und zu viel Brandy gekippt. Der Bauernsohn aus Iowa war schon auf seinem Erstling vor zwei Jahren eher auf der düsteren Seite des Lebens zu Hause, daran liess schon der Titel «Hymns For The Hopeless» keine Zweifel. Whitmore spielt Banjo und Gitarre, und dazu röchelt er Songs wie «The Day the End Finally Came» und «Diggin’ My Grave» ins Mikrofon. Starker Stoff! Auf dem CD-Inlay ein (angebliches) Samuel-Beckett-Zitat: «When you're up to your neck in shit, the only thing left to do is sing.»

***1/2 – Kim Carnes, «Chasin’ Wild Trains» (Sparky Dawg Music)
Erinnert sich noch jemand an Kim Carnes? Die mit «Bette Davis Eyes». Grosser Hit anno 1981. Diese Kim Carnes, im Juli 60 geworden, hat ein letztes Jahr ein neues Album gemacht, auf das ich erst jetzt aufmerksam wurde. Der Titel «Chasin’ Wild Trains» erinnert ein bisschen an ein Album von ihr aus den Achtzigerjahren, das «Barking At Airplanes» hiess. Das Dutzend eigene Songs, teils mit Kolleginnen und Kollegen zusammen geschrieben, etwa mit Chuck Prophet, Anders Osborne, Matraca Berg, Kim Richey und Al Anderson, liegt musikalisch irgendwo im weiten Feld von Folk und Country, hat aber auch einen leicht poppigen Einschlag. Kim Carnes’ rauchige Stimme klingt noch genau so wie damals. Genau so schön.

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